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Phasenübergänge gehören zu den Phänomenen, die die
Vielfalt der uns umgebenden Natur maßgeblich beeinflussen.
Die große Bedeutung, die ihnen bei der Erklärung von Prozessen
in den Geowissenschaften, in der Festkörperphysik, in
der Biologie und Chemie,
in den Werkstoffwissenschaften bis hin zur Kosmologie und
Elementarteilchenphysik zukommt, haben die Phasenübergänge
zu einem wichtigen interdisziplinären Forschungsgebiet werden
lassen.
Wir unterscheiden hier zunächst zwischen Gleichgewichts- und
Nichtgleichgewichts-Phasenübergängen. Bei
Gleichgewichtsphasenübergängen bewirkt eine entsprechende
Auslenkung des Systems aus dem thermodynamischen Gleichgewicht
das Entstehen eines räumlich inhomogenen Zustands, dessen
zeitliche Entwicklung die Relaxation des Systems in den neuen
Gleichgewichtszustand beschreibt.
Unter Nichtgleichgewichts-Phasenübergängen in stofflich und
energetisch offenen Systemen wollen wir die Entstehung von
dissipativen Strukturen fernab vom Gleichgewicht verstehen,
d.h. die Herausbildung von multistabilen Attraktoren im
thermodynamischen Zustandsraum. So entstehen im Ergebnis
ständigen Entropietransports an die Umgebung stationäre
(oder u.U. auch instationäre) Raum-Zeit-Muster der
thermodynamischen Variablen. Beispiele dafür sind turbulente
Konvektionsströme im Erdmantel
((Peltier(1989))) oder oszillierende chemische Reaktionen
in Reaktions-Diffusions-Systemen ((Ortoleva(1994))).
Für metastabile Ausgangszustände weist die Herausbildung
stabiler dissipativer Nichtgleichgewichtsstrukturen eine
formale Analogie zur Tröpfchenbildung in übersättigten
Lösungen bzw. Dämpfen auf, so daß die Keimbildung als einer
der Grundtypen für das Entstehen von Nichtgleichgewichtsphasen
angesehen werden kann ((Ebeling und Feistel(1982); Glansdorff und Prigogine(1971))).
Die Phasenübergänge nahe dem thermodynamischen Gleichgewicht
werden in einer erstmals nach Ehrenfest (1933) vorgenommenen
Klassifizierung in Phasenübergänge erster und zweiter Art
unterteilt ((Landau und Lifschitz(1984))).
Phasenübergänge erster Art verlaufen diskontinuierlich, bei ihnen
ändert sich der Ordnungsparameter (zum Beispiel die Dichte)
diskontinuierlich. Bei Phasenübergängen zweiter Art ändern
sich die thermodynamischen Potentiale, z.B. als Funktion der
Temperatur, stetig, die Ableitungen der Potentiale (zum Beispiel
die Wärmekapazität) dagegen diskontinuierlich.
Die Grundlage der Theorie zu Phasenübergängen 2. Art wurden
von Landau mit der Einführung des Ordnungsparameter-Konzept
gelegt ((Landau und Lifschitz(1984))).
Im folgenden werden wir uns vorwiegend mit Phasenübergängen
erster Art beschäftigen.
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Michael Riedel
10/6/1997